Klare Linien statt verspielter Details: Handgemachter Hof in Margetshöchheim. Ein Bericht in der MainPost Sonderbeilage „4 WÄNDE – Bauen & Wohnen in Mainfranken“ 4 /2013
Historisch gewachsen
Mehrere Jahre bewohnte Familie Kircher das alte Haus im Altort von Margetshöchheim. Mit 70 Quadratmetern Wohnfläche bot es zu wenig Platz. Erst mit dem Kauf des Nachbargrundstücks schafften sie genug Fläche für ihren Wohntraum.
[Text von SANDRA HÄUSLEIN, M.A. Technikjournalistin Dipl.-Ing. (FH) für Architektur, Triefenstein-Homburg; Fotos von Rudi Seifert, Dipl. Designer (FH), Nürnberg]
Dem Architektenehepaar war es wichtig, vorhandene Bausubstanzen, Ortsstrukturen und bereits bebaute Flächen zu nutzen und deren Potenziale auszuschöpfen. „Wir wollten die Identität des Altortes und des Gebäudes selbst bewahren und gleichzeitig mit neuen Komponenten verschmelzen“, erklärt das Ehepaar Kircher. Daher wurden möglichst viele Bauteile erhalten und vorhandene Materialien wiederverwendet. Die unterschiedlichen Gebäude auf den beiden Grundstücken wiesen in ihrer Bausubstanz allerdings einen extrem schlechten Zustand auf.
Das gesamte Abbruchmaterial wurde von den Bauherren handverlesen, brauchbare Baustoffe gesammelt und wieder eingebaut. So erhielten beispielsweise die alten Dachziegel einen Platz auf dem Dach des neuen Nebengebäudes.
Dort, am Standort der ehemaligen Scheune, ist das Büro des selbstständigen Architekten Hendrik Kircher untergebracht. „Das Gebäude passt sich in Formgebung und Proportion den benachbarten Scheunen an. So wird der einstige Scheunengürtel wieder hergestellt. Auch die Funktion als ursprünglicher Arbeitsort bleibt bestehen“, erklärt er. Um den historisch gewachsenen Straßenzug nicht zu stören, blieb am Haupthaus die komplette Südfassade erhalten.
Das typisch fränkische Satteldach fügt sich in die Dachlandschaft des Altortes ein. Auf Dachaufbauten wurde bewusst verzichtet, um einerseits dem Gebäude selbst eine harmonische Kubatur zu geben und andererseits die Homogenität mit der Umgebungsbebauung beizubehalten. So blieb auch die Lochfassade zur Straße erhalten. Ein fehlendes Fenster wurde ergänzt und an den Bestand angepasst. Die Sandsteingewände, die die Öffnungen umrahmen, verstärken die Gliederung der Lochfassade zusätzlich. Die Fassade gen Westen grenzt unmittelbar an ein Nachbargebäude. Daher musste die Hauptbelichtung über die Ostund Nordfassade erfolgen. „Das ist energetisch nicht optimal, aber in dieser gewachsenen Ortsstruktur nicht anders möglich“, so Architekt Kircher.
Dennoch sah es das Architektenpaar als Herausforderung, den Räumen auch Abendsonne durch Öffnungen in der Westfassade zu ermöglichen. Mit einem Lichtband in der westlichen Dachfläche und einer geschickten Innenraumplanung wird so jeder Aufenthaltsraum mit zusätzlichem Westlicht versorgt.
„Offene Räume, viel Glas, unterschiedliche Raumhöhen und möglichst wenig Verkehrsfläche waren die Stichworte, die unserer Raumplanung zugrunde lagen; inspiriert von den Gedanken des Architekten Adolf Loos“, erklärt die Bauherrin. Adolf Loos war Anfang des 20.Jahrhunderts ein Vorreiter der modernen Architektur. In seinem Raumplankonzept steht die dreidimensionale Denkweise im Vordergrund. So entstehen in einem Raum verschiedene Ebenen mit unterschiedlichen Höhen, die an die jeweilige Funktion der Räume angepasst sind. Klare Linien und Kubaturen ersetzen dabei verspielte Details. Die Architektur folgt in ihrer Einfachheit den Funktionen und Bedürfnissen der einzelnen Räume. Das Spiel mit unterschiedlichen Höhen nutzte das Ehepaar Kircher, um die Lichtverhältnisse des gesamten Raumkonzeptes zu optimieren.
Nahezu alle Räume gehen fließend ineinander über. Alle Ebenen haben einen mittig liegenden Raum, der zugleich Aufenthaltsbereich wie auch Erschließungsfläche darstellt. Von dort wird je ein Zimmer Richtung Nord und Süd erschlossen. Im Erdgeschoss sind Küche, Essund Wohnbereich durch große offene Durchgänge verbunden. Optisch sind die Räume durch unterschiedliche Fußbodenoder Deckenniveaus voneinander getrennt. Im mittig angeordneten, über zwei Geschosse ragenden Essbereich liegt die einläufige Treppe, welche die Obergeschosse verbindet. Die Raumhöhe sowie die offene Galerie im Dachgeschoss ermöglichen den Lichteinfall der Dachfenster auf der Westseite bis hinunter ins Erdgeschoss. Die Räume im Obergeschoss erhalten durch Fensterbänder zum Luftraum eine Verbindung zu den zentralen Aufenthaltsbereichen. Zusätzlich fällt auch hier indirekt das Westlicht in die Räume.
Bei der Materialwahl legten die Bauherren ebenfalls großen Wert auf natürliche und vor allem heimische Baustoffe. So wurde der Fußboden im Erdgeschoss mit fränkischem Muschelkalk ausgestattet, in den oberen Bereichen liegt ein geölter Eichenholzboden. Auch die Fenster sind aus heimischem Nadelholz gefertigt. „Wichtig war uns vor allem der Einsatz von unbehandelten Materialien, um deren Haptik zu bewahren“, so Architekt Kircher Große Fensterelemente lassen den Wohnraum mit dem Außenraum verschmelzen und stellen auch den Bezug zum Bürogebäude her.
Der Wohnhof, der zwischen den beiden Gebäuden entstand, ist in mehrere Bereiche gegliedert, die durch unterschiedliche Oberflächen gestaltet sind. Rasen und Kiesschüttung sorgen für eine Entsiegelung der ehemals überbauten Fläche und lassen so das Regenwasser natürlich versickern. Der fränkische Hofcharakter wird durch den Anbau heimischer Nutzpflanzen wie Apfel-, Birnund Pflaumenbäumen zusätzlich verstärkt.
Wem das bloße Lesen über gelungene Architektur nicht ausreicht, der hat bei zahlreichen Events in Unterfranken die Möglichkeit, einen direkten Blick hinter die Eingangstüren modernen Wohnens zu werfen. Ende September, im Zuge des Kulturherbstes des Würzburger Landkreises, öffneten beispielsweise die Kirchers ihr Hoftor, um eine Ausstellung des Malers Helmut Nennmann zu zeigen. Dabei war auch ein Rundumblick über die vielen Details, Ideen und Lösungen möglich.